Sounds "entfremden"

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Sounds "entfremden"

Beitragvon Knäckebrot » 10.12.2009 (13:32)

Hi Leute mir ist grad ne Frage in den Sinn gekommen.
Im Noise / Dark Ambient Bereich läuft ja recht viel mit Verfremdung. Sei es jetzt strecken oder zusammen"schrumpfen" von Samples, Verzerrung, Pitchen oder oder oder. Teilweise scheint man sich dabei auch beliebig an Umweltgeräuschen, Sprach- oder Musiksamples oder sonstigem Audiomaterial zu bedienen, ohne sich groß Gedanken um Urheber und Ursprung zu machen. Wird ja eh verfremdet, hört man nicht mehr raus, was es vorher war...Und zum Thema Eigenständigkeit der fertigen Musikkreation oder damit verbundene Kreativität kann man ja eigentlich sagen, dass es egal ist, ob jetzt ein Geräusch in verfremdeter Form ursprünglich aus nem PC, nem Synthesizer, einer Blechdose oder einem Beatlesstück stammt.

Solange man nicht einfach stumpf anderer Leute Lärm mit ein, zwei Effekten versieht und als eigenes Zeug ausgibt, sondern sich schlicht und einfach großzügig an den vielen tausenden potentiellen Geräuschquellen bedient und sie für seine Zwecke arrangiert, verändert usw ist es ja im Grunde trotzdem "kreatives Schaffen" wie bei anderen Musikern dieser Richtung auch. Alltagsgeräusche zu verwenden hat ja auch nicht selten was mit dem "Klauen" anderer Leute Werke zu tun. Fast niemand fragt Bauarbeiter, Autofahrer oder Fabrikbesitzer, ob sie einem die Remixrechte an ihren Geräuschen überlassen. oO

Soviel gerade an Ausschweifung bezüglich anderer Leute Werke zu "missbrauchen". Kam mir grad zusätzlich in den Kopf und bevor jemand dumme Sprüche abgibt, wollte ich das nur kurz abtippen.

Jetzt aber endlich zurück zur Frage:

Inwieweit ist es eigentlich möglich, diverse Verfremdungen rückgängig zu machen? Nehmen wir mal runterpitchen und / oder langziehen eines Samples. Ist ja im Grunde recht leicht zu bewerkstelligen, das Teil wieder kurz, knapp und hoch zu bekommen. Natürlich müsste man hierzu viel rumprobieren, Glück haben oder genau wissen, was da als Ursprung mal stand und wohin man möchte (in diesem Fall: kürzer und höher). Aber rein theoretisch ist es möglich, den Ursprungszustand wiederherzustellen.

(Nebenfrage hierbei: Soweit ich weiß, gibts rechtlich keine Probleme mit Samples, die a) nicht essentieller Hauptbestandteil des Tracks sind und b) nicht wiedererkennbar verwendet wurden. Nehmen wir unser Beispiel wieder. Ich würde einen Satz, einen Fetzen aus nem Musikstück oder sonstwas langziehen und runterpitchen und in einen Noise/DA Track einbinden, wo er nicht groß auffällt. Jetzt findet jemand durch viel rumprobieren aber mein schönes Sample und verpfeift mich - nur mal so rein theoretisch. Wäre es in diesem Fall ein Problem eurer Meinung nach?)

Wie sieht es jetzt aber mit distortion und ähnlichen Effekten aus?
Ich bin da nicht so technisch gebildet. Liegen Informationen über den Ursprungszustand des Geräuschs noch in der Wavedatei vor oder sind bestimmte Informationen schlicht und einfach weg?

Ist es theoretisch möglich, ein Geräusch soweit zu verfremden (und ich meine jetzt nicht, dass man stumpf die Distortionkeule dutzendmal drüberrauschen lässt und das Ganze mit noch mehr Schnee überlagert), dass es nicht mehr einwandfrei zu entfremden ist?
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Beitragvon nihil » 10.12.2009 (13:39)

klar
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Beitragvon chikan » 10.12.2009 (14:08)

Wenn z. B. der Loopbereich Crossmoduliert wird oder das gesampelte Material mit allerlei Randomfunktionen bearbeitet wird kann das mit Sicherheit schwer wieder rückgängig gemacht werden.
Was weiß denn ich, ich guck doch auch nur zu!

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Beitragvon Knäckebrot » 10.12.2009 (14:08)

:shock: Was meinst du jetzt?
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Beitragvon Goat93 » 10.12.2009 (14:17)

wenn jemand wie ich davor sitzt :lol:
wie eben auch extreme Musikinhalte nicht dasselbe wie NSBM waren/sind. Und wenn sich diese Sachen auf Mode/Trends zurückführen oder dadaurch erklären lassen, wärs ja mit Ausrottung der versauten Jugend getan
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Beitragvon Knäckebrot » 10.12.2009 (14:24)

Oh Sorry, hab nicht gesehen, dass chikan bereits was geschrieben hat. Meine Antwort war auf nihil bezogen. Ich bemühe mich gerade darum, den Fachkrempel nachzulesen, danke schonmal. ;)

Was für Randomfunktionen meinst du gerade?
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Beitragvon Phelios » 10.12.2009 (15:37)

Hallo Knäckebrot.

Eine pauschale Antwort kann man auf die Frage nicht geben. Es hängt davon ab, was mit dem Material gemacht wurde. Betrachten wir das mal mathematisch. Wenn Du einen Term hast und mit diesem Term Dinge anstellst, kannst Du die in der Regel rückgängig machen. Beispiel: Du teilst beide Seiten durch drei und kannst das dann mit einer Division durch drei wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen.
Das funktioniert bei Audiomaterial, das mit einfachen Operationen wie Pitchshift (zu Deutsch Geschwindigkeitsveränderung) oder Rückwärts bearbeitet wurde. In der Praxis ist aber selbst das oft nicht mehr möglich. Warum? Weil bei der Bearbeitung mit Algoritmen häufig Informationen verloren gehen. Weg ist weg! Selbst wenn ich in meinem Sequencer das Material drei mal auf halber Geschwindigkeit neu rendere und danach drei mal auf doppelter Geschwindigkeit, ist das Ergebnis schon anders.
Bei komplizierteren Dingen die Distortion gehen unglaublich viele Informationen des ursprünglichen Materials verloren, so dass kein Geheimdienst der Welt da das Original wiederherstellen kann.
Sobald mehrere Klangquellen gleichzeitig erklingen, was bei Musik fast immer der Fall ist, hat man erst recht keine Chance. Es ist nicht möglich, einzelne Klänge seperat zu bearbeiten. Und selbst wenn das möglich wäre, müsste man schon sehr genau wissen, wie das Material bearbeitet wurde, um die änderungen rückgängig zu machen.
Theoretisch also möglich, aber nur in ganz wenigen Fällen wirklich durchführbar.
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Beitragvon Komastern » 10.12.2009 (15:52)

Knäckebrot,
hast du etwas zu verbergen ?!
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Beitragvon chikan » 10.12.2009 (16:41)

Also z.B. wenn Du mit dem ASR 10 die Funktion Synthesized Loop (Command Wave) benutzt, macht das Gerät aus dem vorhandenen Material erst mal alles mögliche...
Oder Du steuerst ganz simpel eine Reihe von Bearbeitungen auf der Wave Ebene zufallsgesteuert...das soll dann erstmal jemand wieder herstellen.
Was weiß denn ich, ich guck doch auch nur zu!

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Beitragvon Knäckebrot » 10.12.2009 (17:34)

Hallo Phelios.

Erstmal Danke für deine ausführliche Antwort!

Ich quote jetzt mal nicht alles, sondern nur diese Aussage hier:


Selbst wenn ich in meinem Sequencer das Material drei mal auf halber Geschwindigkeit neu rendere und danach drei mal auf doppelter Geschwindigkeit, ist das Ergebnis schon anders.



Mh...Ich habs mal mit nem Liedschnipsel versucht. Audacity -> Geschwindigkeit ändern (verändert Tonhöhe und Tempo).

Hab mal garnicht auf Zahlen geachtet, hatte nur ca im Sinn, wie lang der Schnipsel war.
Hierbei hab ich aber auch garnicht auf die Sekunden geguckt, sondern mir nur ca gemerkt,
wie lang das Teil in der grafischen Darstellung war.

Habs dann ein oder zweimal langgezogen, bis der Klang interessant wurde.

Dann als Wave extrahiert und in nem neuen Audacity-Fenster neu reingeladen.
Mit dem ungefähren Bild vor Augen, wie lang das Sample war, hab ich dann mit kleinen
Schritten die Geschwindigkeit wieder gesteigert. Nach 3 oder 4 Schritten war eindeutig
das Lied rauszuhören. Obs jetzt 100%ig das Original war, kann ich nicht mit Sicherheit
sagen, aber Unterschiede fielen mir beim oberflächlichen Hören jetzt nicht auf.

Ich könnte das Gleiche ja auch mal mit ner ganzen Effektkette per FL Studio und co
durchprobieren und dann gucken, wo ich dabei rauskomme.




Komastern hat geschrieben:Knäckebrot,
hast du etwas zu verbergen ?!


Musst du gerade an +/- error denken? :shock:

Wie schon geschrieben: Ich hab nicht vor, einfach mal einen ... sagen wir mal Merzbow Track zu nehmen und ne Effektkette drüberzuschubsen, damit es "meins" ist. Aber wenn ich nen Schnipsel aus einem seiner Tracks entnehmen und mit diversen anderen Audioschnipseln, eigenen Aufnahmen (von mir aus von ner Baustelle oder beim Katze-im-Klo-Abspülen) und Soundexperimenten gleichsetze und für mich als Arbeitsmaterial betrachten und nutzen würde, würde ich persönlich jetzt nicht moralisch als Problem betrachten.

Geräusch ist Geräusch und wenn ich was gutes aus dem Feierabendverkehr basteln würde dann hätte ich auch nix zum Ausgangsgeräusch beigetragen. Weder eine künstlerische, kompositorische, noch eine handwerkliche Leistung (wenn man vom Aufnehmen mal absieht ;) ). Ich kann ja auch ne Rede von nem Politiker verwursten und dem Mann dankt das dann am Schluss auch niemand. Mir auch nicht, wenn ich mich dabei auf stumpfes Effektschubsen beschränke, anstatt aus dem Sound was ordentliches zu machen.

Insofern sehe ich da nix falsches dran, zu "klauen", solange halt die "Leistung" als "Musiker" eindeutig vorhanden ist. Hoffe, das hab ich deutlich rübergebracht.

Zu "verbergen" hätte man aber natürlich etwas. Zum einen darf man nicht einfach irgendwas nehmen, woran man keine Rechte hat und daraus was neues basteln und deshalb müsste man als "Dieb" natürlich auf Nummer Sicher gehen.

Zum anderen liegt es doch auch im Sinne des Verfremders, dass der Hörer nicht durch simples 5MinutenGeklicke herausbekommt, dass der düstere, übermäßig atmosphärische Dark Ambient Track mit Runterzieheffekt im Grunde nur eine arg verfremdete und neu arrangierte Mischung aus Vogelgezwitscher, Quietscheentchen, ner alten Frau beim Kotzen und Besoffenen beim Singen des Horstwesselliedes besteht. Zum einen würde das logischerweise ein merkwürdiges Bild auf den "Komponisten" werfen und auf der anderen Seite wäre sicherlich für jeden Eingeweihten die Luft raus aus dem Track.
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Beitragvon And242 » 10.12.2009 (19:11)

Knäckebrot hat geschrieben:Geräusch ist Geräusch und wenn ich was gutes aus dem Feierabendverkehr basteln würde dann hätte ich auch nix zum Ausgangsgeräusch beigetragen. Weder eine künstlerische, kompositorische, noch eine handwerkliche Leistung (wenn man vom Aufnehmen mal absieht ;) ).

Nein, sehe ich anders.

Sobald Du bastelst, ist es schon ein Ergebnis. Was machen den bitteschön Musiker anders, die nur die Klänge ihrer Instrumente irgendwie, meinetwegen auch mit Noten, arrangieren?
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Beitragvon Goat93 » 10.12.2009 (20:29)

man sagt ja, probieren geht über studieren:

http://rapidshare.com/files/319064498/t ... m.wav.html

ich hab da nen Chartlied einer Chartsängerin etwas...ähhhh
naja egal, wer zumindest rausbekommt, wer das ist und
welches Lied, der bekommt den KrachMaster Orden :lol:
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Beitragvon KaftKrammer » 11.12.2009 (11:42)

Goat93 hat geschrieben:naja egal, wer zumindest rausbekommt, wer das ist und
welches Lied, der bekommt den KrachMaster Orden :lol:


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Wenn du dich umsiehst auf den Straßen und Plätzen, in den Clubs und Diskotheken, in den Foren und Chaträumen; wenn du aufmerksam bist und genau beobachtest, wenn du klaren Geistes bleibst und deine Auffassung nicht trüben lässt, wirst du jemanden finden, der mehr Industrial ist als du...
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Beitragvon Komastern » 11.12.2009 (12:02)

Das ist unfair, ich kenne mich in Charts ÜBERHAUPT nicht aus...

Hab das letzte mal Viva und MTV vor 4 Jahren gesehen und Radio höre ich gar nicht...

Coole Spielidee jedenfalls !

Daraus sollte man einen neuen Thread machen. Bloß mit "populäreren" Liedern, die alle kennen sollten (Beatles etc)
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Beitragvon Knäckebrot » 11.12.2009 (12:19)

And242 hat geschrieben:
Knäckebrot hat geschrieben:Geräusch ist Geräusch und wenn ich was gutes aus dem Feierabendverkehr basteln würde dann hätte ich auch nix zum Ausgangsgeräusch beigetragen. Weder eine künstlerische, kompositorische, noch eine handwerkliche Leistung (wenn man vom Aufnehmen mal absieht ;) ).

Nein, sehe ich anders.

Sobald Du bastelst, ist es schon ein Ergebnis. Was machen den bitteschön Musiker anders, die nur die Klänge ihrer Instrumente irgendwie, meinetwegen auch mit Noten, arrangieren?


Oh, da hast du mich wohl falsch verstanden. Ich sehe das nämlich genauso.
Aber die rohe Aufnahme des Straßenverkehrs (als Ausgangsgeräusch bezeichnet) entsteht ja gänzlich ohne mein Zutun. Ein Herumbasteln damit ist dann natürlich "mein Werk". ;)
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